Artikel zum Thema Startup-Investments „Noch gibt es Geld für eine gute Idee“ (WELT 2008)

Ob Masken oder Software: Berliner Unternehmen wachsen mit privaten und öffentlichen Investoren

Berlin – Die US-Investmentbank Lehmann Brothers war schon seit mehr als zwei Wochen pleite, die Finanzkrise hielt bereits die Welt in Atem, als Phil von Sassen der Sprung in die Zukunft gelang. Seine Tribax GmbH konnte Wagniskapitalgeber präsentieren, die das Wachstum der Internet-Firma mit Sitz an der Linienstraße in Mitte mit ihrem Geld sichern. „Wir haben schon Kunden und machen Umsätze“, sagt der Gründer des seit Februar aktiven Elf-Leute-Unternehmens. Tribax entwickelt Software, mit der schon 2000 Kunden im Internet sogenannte Social Communities nach dem Vorbild von Facebook oder StudiVZ aufgebaut haben. Die Firma erleichtere Kunden Vorgänge, die sie sonst sehr teuer sind, beschreibt Sassen den Vorteil seiner Geschäftsidee auch in Zeiten der Wirtschaftskrise.

Die Finanzierung von Unternehmen in Berlin ist also noch nicht zusammengebrochen – obwohl es schwieriger geworden ist, Geld für eine Geschäftsidee zu bekommen. „Eine Kreditklemme sehen wir aktuell nicht für kleine und mittlere Unternehmen hier in unserer Stadt“, sagte vor zehn Tagen Waltraud Wolf, Chefin der Bürgschaftsbank Berlin-Brandenburg, die unter anderem das Gründungsgeschehen in der Region genau im Auge hat. Inzwischen berichtet aber der Vorstand der landeseigenen Investitionsbank Berlin (IBB), Dieter Puchta, von einer wachsenden Zurückhaltung der Kreditgeber.

Für Beteiligungskapital stellt sich die Lage noch anders dar. „Die Eigenkapitalfinanzierung ist noch nicht von der Krise betroffen“, sagt Roger Bendisch, Chef der IBB-Beteiligungsgesellschaft und die Fachpresse bestätigt diesen Eindruck.

Über zwei Wagniskapitalfonds ist Bendisch an 41 jungen Berliner Unternehmen beteiligt, darunter auch Tribax. Stets sind auch private Investoren mit im Boot. Das Geld aus dem IBB-Fonds, 30 Millionen für Kreativwirtschaft und 52 Millionen für Technologieunternehmen, stehe zur Verfügung, „unabhängig von Schwankungen auf den Finanzmärkten“, sagt Bendisch.

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Man wüsste jedoch nicht, wie sich die privaten Partner in der Krise verhalten. Für Tribax öffneten sie die Schatullen im Glauben an den Erfolg des Unternehmens. Neben der Phoenix Foundation ist mit dem Klinikunternehmer Axel Steinwarz auch ein Privatmann eingestiegen.

Insgesamt wurden durch die IBB-Beteiligungsgesellschaft seit 1997 fast 500 Millionen Euro Beteiligungskapital in Berliner Unternehmen kanalisiert. Darunter sind auch bekanntere Namen wie die Solarzellen-Hersteller von Sulfurcell, Noxxon Pharma, JPK Instruments oder die Deutschen Fernsehwerke, die kürzlich mit Timm TV, Deutschlands ersten schwulen Fernsehkanal, auf Sendung gingen.

Beteiligungen wie die Pharmafirma Jereni oder die Navigations-Softwareentwickler Gate 5 wurden an Konzerne verkauft. Bendisch bleibt angesichts der weltweiten Verwerfungen gelassen. Er kann sich an das Platzen der Internet-Blase 2000 noch gut erinnern. „In guten Zeiten regiert die Euphorie, es ist viel Geld im Markt, das vernichtet wird“, sagt der Manager: „In der Krise werden die interessanteren Unternehmen gegründet.“

Für Berlins Ökonomie ist es unerlässlich, dass neue Firmen laufen lernen, um den Rückstand zum übrigen Bundesgebiet aufzuholen. Das gelingt zum Teil. Die Unternehmensberatung Deloitte listet unter den 50 am schnellsten wachsenden Technologieunternehmen Deutschlands elf aus Berlin auf.

Die Zahl der Neugründungen hat sich zwar im ersten Halbjahr 2008 gegenüber dem Vorjahr verringert. Aber die Qualität hat zugenommen, wie der Gründerindex der Bürgschaftsbank BBB ausweist. Die Zahl der echten Unternehmen wuchs um 440 – und viele der neuen Gründer machen eben keine Cafés auf, sondern bieten hochwertige technische und wirtschaftliche Dienstleistungen an.

Aber auch Unternehmen, die scheinbar konventionelle Produkte anbieten, haben Chancen auf öffentliche Förderung, um Wachstum zu finanzieren. 2000 Kunden in der Region werden durch die BBB mit Bürgschaften abgesichert. Drei bis vier Prozent der Kunden scheitern in der Regel, im Jahr 2007 fielen laut BBB-Chefin Wolf sogar nur bei 2,1 Prozent der Firmen Kredite aus. Zudem ist die BBB mit ihrer Mittelständischen Beteiligungsgesellschaft MPG an 80 Berliner Unternehmen beteiligt. „Wir erwarten keine sprunghafte, aber eine solide Entwicklung“, sagt Wolf.

Dabei haben auch auf den ersten Blick gewagte Geschäftsideen oder Leute, die zunächst nicht dem Typus des klassischen Unternehmensgründers entsprechen, eine Chance. Roman Matthesius ist studierter Schauspieler, führt aber inzwischen eine erfolgreiche Firma mit 26 festen und weiteren freien Mitarbeitern. Die Metamorph GmbH betreibt von Köpenick aus über das Internet unter der Marke Maskworld.com einen schwungvollen Handel mit Verkleidungen für Karneval, Motto-Partys, Mittelaltermärkte oder Filmproduktionen. An der Oranienburger Straße in Mitte drängten sich vor dem Maskworld-Laden zu Halloween die Kunden bis auf den Bürgersteig. „Verkleidung ist eine Wachstumsbranche“, sagt der Berliner. Sein Unternehmen habe bisher jedes Jahr seinen Umsatz verdoppelt.

Begonnen hatte alles 1996, als Matthesius mit seinem Bruder als arme Studenten auf einem Prager Kunstmarkt zufällig handgefertigte Latexmasken entdeckten. Auf Kommission nahmen sie dem Künstler 80 Masken ab und verkauften sie selbst auf Märkten. Dann stieg 1999 ein befreundeter Programmierer ein und baute den Internet-Handel auf. Inzwischen steht in Köpenick eine eigene Versandstraße, um in der Hochsaison zum Karneval bis zu 2000 Pakete täglich zu packen.

Die Expansion wurde finanziert von der MPG und der IBB. „Sonst hätten wir es mit einer Schaukeltaktik langsam machen müssen und wären nicht da, wo wir heute stehen“, sagt Matthesius.

Die Banker waren beim Thema Masken erst skeptisch. „Aber wir haben gemerkt, dass es nicht um Fasching oder Halloween geht, sondern um ein solides Konzept“, sagt BBB-Chefin Wolf. Und die Personen hätten sie überzeugt: „Wir haben gesehen, dass sie brennen für ihre Idee. Das ist das Wichtigste.“

Dieser Artikel erschien am 17.11.2008 in der Print-Ausgabe der Welt Print.